Der Zusammenhang zwischen kindgerichteter Sprache von Vätern und dem Sprachvermögen ihrer Kinder

Zusammengefasst von Moritz Jakob

Obwohl unsere Gesellschaft immer näher zur Gleichstellung der Geschlechter rückt, unterscheiden sich die Rollen der Elternteile gerade im frühen Kindesalter auch heute noch sehr stark. So verbringen Kleinkinder oft deutlich mehr Zeit mit ihrer Mutter als mit ihrem Vater. Diese Tendenz spiegelt sich auch in der Forschung zur Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern wider. Seit Jahrzehnten untersuchen Sprachwissenschaftler schon die kindgerichtete Sprache. Dementsprechend groß ist die Menge an zusammengetragenen Daten. Bei genauerem Hinsehen fällt aber auf, dass die überwältigende Mehrheit der Daten für die Kommunikation zwischen Mutter und Kind erhoben wurde. In einer Metaanalyse von 199 Studien zu kindgerichteter Sprache fanden Spinelli, Fasolo & Mesman (2017) nur eine Studie, die sich mit Vater-Kind Interaktionen befasste. Quigley, Nixon & Lawson (2019) tragen mit einer neuen Studie dazu bei, diese Forschungslücke zu schließen.
Hierfür untersuchten sie, wie die prosodischen Eigenschaften (d.h. melodischen und rhythmischen Eigenschaften) väterlicher kindgerichteter Sprache mit den sprachlichen Charakteristiken ihrer Kinder zusammenhängen. In ihrer Studie erhoben die Forscher vom Trinity College in Dublin zunächst mit Hilfe standardisierter Tests (Bayley Scales for Infant Development) Daten zur perzeptiven und produktiven Sprachfähigkeit der zweijährigen Kinder (Anm.: perzeptive Sprachfähigkeit = wie gut Kinder Sprache verstehen; produktive Sprachfähigkeit = wie gut Kinder schon selbst sprechen können). Im Anschluss wurden die Vater-Kind-Paare in einer natürlichen Spielsituation aufgenommen. Die Aufnahmen wurden daraufhin auf ihre durchschnittliche Grundfrequenz (d.h. die Tonhöhe des Sprachsignals) und ihren Tonhöhenumfang untersucht. Diese Messungen wurden durchgeführt, da sich kindgerichtete Sprache im Vergleich zur Sprache zwischen Erwachsenen unter anderem durch eine erhöhte durchschnittliche Grundfrequenz und einen größeren Tonhöhenumfang auszeichnet.
Die Ergebnisse von Quigley, Nixon & Lawson’s (2019) Studie zeigten, dass Väter von Kindern, die in der Entwicklung ihrer perzeptiven Sprachfähigkeit schon weiter sind, einen geringeren Tonhöhenumfang in Interaktionen mit ihren Kindern verwenden als Väter von Kindern deren perzeptive Sprachentwicklung sich in einem früheren Stadium befindet. Somit besteht eine direkte Verbindung zwischen väterlicher kindgerichteter Sprache und dem Sprachvermögen ihrer Kinder. Um zu sehen, welchen Effekt väterliche kindgerichete Sprache auf die Sprachentwicklung von Kleinkindern hat, müssen die Ergebnisse von Langzeitstudien abgewartet werden. Ergebnisse von Studien, die sich mit mütterlicher kindgerichteter Sprache befassen, deuten jedoch darauf hin, dass gerade Variabilität der Tonhöhe ein Faktor ist, der Kindern den Spracherwerb erleichtert. Das lässt vermuten, dass auch die Nutzung von kindgerichteter Sprache durch den Vater dem Erstspracherweb zugutekommt.

Originalartikel:
Quigley, J., Nixon E. & Lawson S. (2019). Exploring the association of infant receptive language and pitch variability in fathers’ infant-directed speech. Journal of child language, 46(4): 800-811. https://doi.org/10.1017/S0305000919000175

In der Zusammenfassung zitierte Literatur:
Spinelli, M., Fasolo, M., & Mesman, J. (2017). Does prosody make the difference? A meta-analysis on relations between prosodic aspects of infant-directed speech and infant outcomes. Developmental Review, 44, 1–18.