Die Rolle der mütterlichen Stimme im Spracherwerb

Zusammengefasst von Bettina Braun

Frühere neurolinguistische Studien haben gezeigt, dass die mütterliche Stimme zu einer erhöhten Aktivierung in Gehirnregionen führt, die mit Sprachverarbeitung, Aufmerksamkeit und Belohnung in Zusammenhang gebracht wurden. Dies betrifft vor allem Kinder im ersten Lebensjahr. Eine kürzlich in der Zeitschrift Infancy erschienene Studie untersuchte nun, ob die mütterliche Stimme Kinder im Alter von 2 Jahren beim Wörter-Lernen unterstützt.
Die Autoren der Studie verglichen zwei Bedingungen: Im sozialen Setting benannte die Mutter oder eine unbekannte Experimentleiterin neue Phantasieobjekte, im künstlichen Setting erfolgte die Benennung durch Aufnahmen der mütterlichen Stimme oder einer anderen Mutter. Die zweijährigen niederländischen Kinder durchliefen zunächst eine Trainingsphase, in der sie nacheinander zwei neue Objekte auf dem Bildschirm sahen, die jeweils neunmal benannt wurden (in einer von vier Bedingungen: von der mütterlichen oder einer anderen Stimme, entweder live oder vom Band). In der Testphase sahen die Kinder die beiden neuen Objekte nebeneinander und eines davon wurde benannt. Dabei wurden ihre Blickbewegungen aufgenommen. Die Interpretation von Blickdauern ist wie folgt: Eine längere Blickdauer zum benannten Objekt deutet darauf hin, dass die Kinder die Verbindung zwischen Label und Objekt gelernt haben.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Kinder nur dann länger zu dem benannten Objekt blickten, wenn sie das Label von der Mutter gehört hatten, unabhängig davon, ob es ein soziales oder künstliches Setting war. Es zeigte sich zudem, dass die Kinder häufiger auf das Objekt zeigten, wenn die anwesende Person das Objekt benannt hatte (also im sozialen setting). Wenn die Benennung durch die mütterliche Stimme erfolgte, wiederholten die Kinder die neuen Label etwas häufiger. Diese häufigere Benennung durch die Kinder steigerte wiederum deren Wortlernerfolg. Zusammengefasst scheinen Kinder neue Wörter leichter zu lernen, wenn sie mit der Stimme ihrer Gesprächspartner vertraut sind.

Originalartikel:
van Rooijen, R., Bekkers, E., & Junge, C. (2019). Beneficial effects of the mother's voice on infants’ novel word learning. Infancy, 24(6), 838-856. https://doi.org/10.1111/infa.12312